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Von Entfaltung, Überforderung und dem Tod

Bekannt wurde Matthias Strolz als Politiker mit großer Energie. Seine spirituelle Ader hat er dabei eher zurückgehalten. Mittlerweile sieht er sich als Gärtner des Lebens und will anderen bei ihrer Entfaltung helfen. Im Interview spricht er über die Stimme des Herzens, Überforderung und unseren verlogenen Umgang mit dem Tod.

 

Matthias Strolz über …

… das zentrale Thema seines beruflichen Tuns.
Ich glaube, das Leben ist vor allem eine große Einladung zur Entfaltung. Deshalb ist mir das Thema Bildung so wichtig, deshalb liebe ich es, Vater von drei Kindern zu sein, obwohl das immer eine Grenzerfahrung und leichte Überforderung ist. Ich sehe mich als Gärtner des Lebens, und als solcher begleite ich andere in ihrer Entfaltung, egal ob es Organisationen sind oder Einzelpersonen, egal ob als Start-up-Unternehmer, als Coach oder als Autor.

… die Frage, wie Entfaltung gelingen kann.
Entfaltung ist ein Prozess, der dann besonders gelingt, wenn ich die Stimme meines Herzen wahrnehme. Wenn ein Mensch wirklich in einen Flow kommt, dann ist er mehr als ein fleischliches Wesen, dann kippt er aus Raum und Zeit. Das ist eine Ebene, die sich naturwissenschaftlich nicht beschreiben lässt. Der Mensch ist mehr als sein Hirn. Das Hirn ist großartig, aber es braucht auch das Herz und den Bauch.

… die Gefahr der Überforderung durch immer schnellere Entwicklungen und das Streben nach Optimierung.
Nehmen wir das klassische Beispiel der Smartphones und der Digitalisierung: Natürlich werden wir bald erkannt haben, dass dieser enorme Konsum uns krank macht. Deshalb brauchen wir andere Skills für unsere Kinder und dürfen diese nicht nur mit Fachwissen abfüllen. Resilienz, Kommunikation, Selbstführung, kritisches Denken – all diese Skills sind überlebensnotwendig. Wenn sie diese nicht haben, werden sie von der Reizüberflutung an die Wand geklatscht und fallen mit einer Depression herunter. Aber wir entwickeln uns ja rasend schnell. Wenn du heute einen Typen von 1932 einkaufen schickst, der verzettelt sich schon beim Klopapier aufgrund der Flut an Möglichkeiten.

… den Umgang mit dem Tod.
In vielen Kinderzimmern werden Games gespielt und wird gemordet auf Teufel komm raus, in jedem Wohnzimmer wird am Bildschirm hundertfach erschossen – der Tod ist omnipräsent. Aber wenn eine echte Leiche da ist, muss sie sofort aus dem Blickfeld. Dass man einen Leichnam beispielsweise nicht mehr aufbahren darf, halte ich für einen groben Verlust an Ehrfurcht und Kultur. Und für unendlich verlogen. Solche Themen interessieren mich, weil man etwas wachrütteln kann und selbst etwas lernen.

… die Frage, warum wir den Tod und das Sterben so aus unserem Alltag verdrängen.
Das Leben ist eine ständige Jagd nach Intensität, und dabei kann man eines nicht brauchen: den Tod. Der ist das Ende der Jagd. Wenn wir ihn in den Fokus stellen, würde dies die ganze Jagd in Frage stellen. Deshalb müssen wir ihn aus dem Blick nehmen. Auch der Neoliberalismus und die obsessive Marktwirtschaft haben Interesse daran, den Tod auszublenden, um die Menschen noch mehr ins Konsumieren zu locken. Es ist eine kulturgeschichtliche Entwicklung, dass der Tod einfach nicht mehr so ins Konzept passt.

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